Fundplatz Bad Saarow 22, ein jungbronzezeitliches Gefäßdepot

Eine archäologische Baubegleitung im Sommer 2018.
Bad Saarow liegt am Nordrand des Scharmützelsees, den Resten einer nacheiszeitlichen Schmelzwasserrinne. Der Ort ist eine moderne Bildung aus den Dörfern Saarow am Westufer und Pieskow gegenüber am Ostufer. Zwischen beiden Dörfern entstand Anfang des 20. Jh. eine Landhaus-Kolonie; Wasserturm, Bahnhof und Moorbad folgten. Das Dorf Saarow ist heute als Bodendenkmal 90610 eingetragen und unter Schutz gestellt.
Bereits 2017 wurde für einen Neubau eine größere Hausfläche archäologisch untersucht und Teile einer jungbronzezeitlichen Siedlungsfläche ausgegraben. Als Ergänzung und Abschluss der Maßnahme musste 2018 noch eine kleine Fläche unter den ehemaligen Garagen kontrolliert werden. Der Bodeneingriff reichte nicht weit in die Tiefe; es wurde lediglich der vorhandene Betonboden entfernt und ein Planum angelegt, auf dem sich an einer Stelle mehrere Keramikscherben fanden. Die genauere Kontrolle brachte 3 Gefäße zum Vorschein, die hier absichtlich eingegraben worden waren.
Gefäß 1 (in Bild 2 oben) stand mit der Mündung auf dem Grubenboden bzw. dem anstehenden Lehm; es handelt sich um einen eiförmigen Topf ohne Henkel mit einer rauen Oberfläche, die Keramik ist außen graubraun, innen eher grau. Der Boden wurde offensichtlich beim Abziehen der Fläche abgeschert und ist verloren. Die größte erhaltene Höhe liegt bei 17,5cm, der Randdurchmesser (RDm) bei 17,5cm und der größte Durchmesser (Dm) bei 18,5cm.
Das sich als Scherbenring abzeichnende Gefäß 2 (Bild 2 mitte) ist ein halbwegs gut erhaltener Gefäßrand, der mit der Mündung auf dem Lehm auflag. Am Umbruch war der Gefäßkörper abgebrochen und lag stark zerscherbt außen am Ring an bzw. steckte zwischen Ring und Gefäß 3. Der Boden konnte vollständig rekonstruiert werden, es gibt aber keine passgenaue Verbindung zum Unterteil. Gefäß 2 ist eine Kegelhalsterrine mit einer umlaufenden Rille am Hals-Schulterumbruch und leicht schräg liegenden Riefenbündeln am Bauch. Die Keramik ist überwiegend glatt, am Unterteil gibt es leicht geschlickte Stellen. Die Farbe ist innen grau bis schwarz, außen braun, braungrau oder braungelb. Der Rdm liegt bei 22-23cm, der größte Dm bei ca. 30cm, der Bdm bei 11-12cm und die Höhe bei etwa 27cm.
Gefäß 3 (unten) ist eine große Tasse mit leicht einziehendem Rand und einem Rdm von etwa 14-15cm. Der einzige Henkel ist alt abgebrochen. Die beiden Bruchstellen des Henkels liegen oben direkt am Rand und auf etwa 2/3 der Höhe. Die Bruchstelle am Rand sieht aus, als wäre der Henkel überrandständig gewesen. Möglicherweise wurde er abgeschlagen, um das Gefäß gerade auf der Mündung abstellen zu können. Die untere Bruchstelle liegt etwa am maximalen Durchmesser und ist mit mindestens 3 Fingertupfen verziert (vermutlich waren es 4), die halbkreisförmig am unteren Rand angeordnet sind. Zwischen beiden Bruchstellen befinden sich einige, leicht schräge Rillen, die absichtliche Verzierungen, aber auch einfache Fehler bei der Herstellung sein können. Der Bodendurchmesser (Bdm) liegt bei 9cm; die Höhe des sehr unregelmäßigen Gefäßes ist 10,5-10,9cm. Der Rand ist stellenweise rundlich, z.T. gerade abgestrichen. Die Oberfläche ist beidseitig glatt, außen in einem dunkel graubraunen Ton mit hellbraunen bis rötlichen Flecken, innen etwas grauer.

Gefäß 1 war isoliert auf dem Rand in der sicher vorhandenen Grube abgestellt worden. 40cm daneben wurde Gefäß 3 ebenso deponiert; ob der Henkel in diesem Zusammenhang abgebrochen wurde oder vorher schon verloren ging, bleibt unklar. Über Gefäß 3 wurde Gefäß 2 gestülpt und ist vermutlich später durch den Erddruck zerbrochen, dabei blieben Hals und Rand in situ als Keramikring liegen, die Scherben des Gefäßkörpers und Bodens sackten nach unten durch und lagerten sich inner- und außerhalb des Ringes ab. Außer dem umgebenden Sand mit vereinzelten Scherben ohne Zusammenhang, fand sich nichts in oder neben den Gefäßen. Die Fundsituation nach Restaurierung der Gefäße ist im Foto rechts nachgestellt.

Als Referenz zur Datierung wird das Lausitzer-Gräberfeld von Eisenhüttenstadt verwendet, das Rücker in ihrer Dissertation 2007 vorgestellt hat. Gefäß 1, der eiförmige Rautopf, ist einfache Siedlungskeramik, entsprechend zeitlos und kommt in der gesamten Jungbronzezeit und Eisenzeit vor. Die Gefäße 2 und 3 dagegen sind charakteristischer und besser datierbar. Gefäß 2 ist eine Terrine mit kegelförmigem Hals, schrägen Riefenbündeln auf dem Bauchumbruch und einem leicht abgesetzten Boden. Im Gräberfeld Eisenhüttenstadt kommen diese Gefäße in der frühen Phase (Stufe 1a und b) des Gräberfeldes vor. Gefäß 3, die hohe bauchige Tasse taucht vermehrt in der Stufe 2b auf. Die Gefäße decken damit etwa den Zeitraum der III. bis V. Periode ab; das ist etwa 1300 -750 v.u.Z. Aufgrund der Terrine dürften der Befund wohl eher in den Zeitraum von 1300 bis ca. 1000 datieren. Damit wäre der Befund etwa zeitgleich mit der benachbarten jungbronzezeitlichen Siedlungsfläche.
Das Phänomen der umgedrehten Gefäße in Gräberfeldern taucht immer wieder in Dokumentationen auf. Döhle und Kolleg*innen stellten 2011 ein Depot aus kopfüber stehenden Gefäßen als Fund des Monats auf der Webseite des Landesdenkmalamtes Sachsen-Anhalts vor (siehe Literatur) und referierten kurz die Diskussion um diese Befundart. Es handelt sich um ein verbreitetes Phänomen mit Schwerpunkt in der Lausitzer Kultur, das aber räumlich und zeitlich ausstrahlt. Auch in Bad Saarow am Fundplatz Bad Saarow 2 wurde innerhalb eines Gräberfeldes mindestens ein kopfüber stehendes Gefäß gefunden (Bauer, 2014 und 2015). Früher wurden derartige Gefäßdepots ohne Leichenbrand als Kenotaph oder Scheingrab gedeutet; mittlerweile wird auch an eine rituelle Niederlegung der beim Begräbniskult benutzten Trinkgefäße gedacht.
Evtl. sollten wir bei derartigen Befunden aber auch etwas allgemeiner und weg von Gräberfeldern denken; nicht zuletzt deshalb, weil nach derzeitigem Stand in der direkten Umgebung des Befundes kein Gräberfeld bekannt ist. Weiter denken bedeutet für mich hier, neben allen anderen Möglichkeiten auch Kinder zu berücksichtigen. Und vor allem das, was Kinder tun: Löcher buddeln, im Sand spielen und die Erwachsenen imitieren. Nach den dürftigen Informationen zu diesem Befund und einer direkt daneben liegenden Siedlungsfläche ist die Interpretation, dass Kinder hier "Bestattung mit Leichenschmaus" gespielt haben, nicht ganz abwegig.

Literatur
- Bauer, 2014, Bad Saarow 2, ein jungbronzezeitliches Gräberfeld
- Bauer, 2015, Jungbronzezeitlicher Napf
- Döhle et al., 2011, Fund des Monats
- Rücker, 2007, Das spätbronze - und früheisenzeitliche Gräberfeld von Eisenhüttenstadt.

Text und Fotos: U. Bauer, 4/2021

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Abb. 1: Der Befund auf Planumshöhe 2.

Abb. 2: Die Gefäße 1, 2 und 3, siehe Text.

Abb. 3: Das Arrangement der Gefäße im Befund; der Abstand zwischen Gefäß 1 und 3 lag bei 40cm.

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